Für alle Teilnehmer am BAFM Fachtag am 15.11.08 in Münster und alle Interessierte hat Rainer Köpnick Notizen zu den Referaten „ Die Rolle der Psychologie in der Mediation“ zusammengefasst:

 
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„Besondere Möglichkeiten der Mediation aus psychologischer Sicht“

Prof. em. Dr. Leo Montada, Trier

  

Der Konflikt hat oft normative Ursachen.

Es geht dabei um die Verletzung von Erwartungen, Normen, Überzeugungen.

Die Verletzung der Norm; nicht das Interesse ist dabei wesentlich.

  Die Bitte um Verzeihung schafft die Übereinstimmung von Täter und Opfer über die verletzte Norm.

Der Konflikt ist also beigelegt, sobald die normativen Sichten in Übereinstimmung gebracht werden.

Dies macht jedoch zuvor die Übernahme der Verantwortung für die normative Verletzung notwendig.

Im Gegensatz dazu heizen Rechtfertigungen den Konflikt erst an.

Dies setzt bei den Beteiligten voraus, dass die Überzeugung relativiert wird, dass die eigene Position alleine gültig sei.

Die Anerkennung abweichender Überzeugungen führt letztlich zur Annäherung der Parteien.

Bedeutung der Verfahrensgerechtigkeit:

„hören“ und „verstehen“; der Verlierer muss ebenfalls in seiner Position gewürdigt werden.

Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Existenz verschiedener, unzähliger Quellen normativer Erwartungen.

Subjektivität ist das Kennzeichen dieser Quellen (sittlich, kulturell, Gewohnheit…)

Bei Wechsel der Lebenssituation gibt es dann zwangsläufig die Konflikte ( neue Arbeitsstelle: Vertretungsregelung etc.)

Die Konfliktbearbeitung vor Gericht ist daher beschränkt:

Sie reduziert sich z.B. auf die Herausnahme der „Schuldfrage“. Die justizielle Bearbeitung beschränkt sich auf die objektivierbaren Sachverhalte, jedoch nicht auf Genugtuung, Kränkung, bzw. subjektive Merkmale.

An dieser Stelle kommt der Kommunikationstherorie und den Themen besondere Bedeutung zu (Themen: nichts wird ausgeblendet; z.B. Beim Mobbing werden die Erwartungen des Täters an das Opfer nicht erfüllt

(z.B. erwartete Anpassung an die stillschweigenden Normerwartungen)

  • normative Konflikte können daher nicht durch Kompromisse wie bei Interessenskonflikten beigelegt werden.

Annäherung ist im Konflikt möglich durch die Relativierung der Bedeutung von normativen Erwartungen.

(Praxis: Im Konflikt werden i.d.R. eigene Anteile bagatellisiert. Vergeltung wird zur Idee.)

 Wichtig ist hierbei den Blick zu weiten, das eigene Spektrum zu erweitern, den Konflikt zu transzendieren.

Wie?

Das persönliche Anliegen wird sichtbar gemacht /Selbstaufmerksamkeit!

Notwendig ist hierfür die Überwindung der Einengungen (wie z.B. „Verletzung“ und „Genugtuung“)

Transzendenz:

Was kann zwischen uns positives ausgetauscht werden (Wertschätzung: z.B.

nicht lieben müssen aber zusammenarbeiten können)

Vorsicht!

Trotz der Zukunftsorientierung der Mediation ist es nötig die vergangene Verletzung anzuerkennen.

Wichtig ist die Verbesserung des Gestaltungsraumes (d.h. die Vermeidung der Zuspitzung auf einen Detailaspekt.

(z.B. nicht mit dem Baby zu Hause bleiben oder nicht, sondern zu überlegen welche Betreuungsmöglichkeiten es gibt.)

Notwendig ist die Schaffung einer neuen Umgangskultur; Abgrenzung / Grenzziehung

d.h. die Anerkennung, dass man sich auf bestimmten Gebieten nicht einigt.

Es existiert kein normfreier Raum

Verträge bieten die Möglichkeit Gerechtigkeit zu erlangen ( gleiche Freiheit, ohne Zwang, Drohung oder Mehrheitsbeschluss

Verträge dürfen nicht auf Kosten Dritter getroffen werden. Das Binnen- und Außenverhältnis muss gerecht sein und vereinbar mit der Rechtsordnung sein. 

Mehrwert der Mediation:

Nachhaltigkeit der Mediation (z.B. Steuerung der Emotionen, Kenntnis des Konfliktpartners)

 Wissen, dass abweichende normative Erwartungen sind wohl begründbar ist.

Auch im Scheitern der Mediation liegt die Möglichkeit etwas über die Überwindung von Krisen als Wissen verfügbar zu machen. Wichtig ist hierbei den Medianten sichtbar zu machen, was gelernt wurde.

 

  


„ Zwischen Ökonomie und Psychologie: Konflikte im Familienunternehmen“

Dr. Arist v. Schlippe,  Witten

Doppelgesichtigkeit der Familie

Allgegenwart von Familie

Systeme und ihre Logiken

Doppelgesichtigkeit der Familie

          Vorteile bringen großen Boost

          Nachteile            große Schwierigkeiten

(Dialektik von Liebe und Hass)

Der Familienkonflikt ist analog dem Nitroglycerinfläschchen. Er ist vor dem Konflikt bereits vorhanden und bleibt unangetastet bis zum umstoßen. Dann ist die Frage entscheidend, ob bereits zuvor eine Idee davon vorhanden war.

Die Dynamik der verschiedenen Sozialsysteme ziehen verschiedene Verhaltenserwartungen nach sich.

Familie

Unternehmen

Eigentum

Familie ist omnipotent. Es entstehen in der Schnittstelle der verschiedenen Systeme Verhaltensparadoxien; wie ich mich verhalte ist es verkehrt. (z.B. Seniorchef sagt zu seiner geschäftsführenden Tochter in der Vorstandssitzung „putz mir mal die Brille“ oder bsp. Kuckucksvater, der seine Firma rettet, und seine Frau bei der Entbindung alleine lässt etc.)

Familie:

Entfliehen                              ist nicht möglich

Währung                               ist Liebe, Bindung, Loyalität

Ausgleich                               langfristige Anerkennung

Gerechtigkeitskriterien           Bedürftigkeit, Gleichheit

 

Unternehmen

Ausgang                                 prinzipiell jederzeit

Währung                                Geld, Gehalt, Karriere

Gerechtigkeit                         Leistung, Fähigkeit, Unterschiedlichkeit

Ausgleich                               kurzfristig

 

Kernparadoxie Identität

„sei gleichzeitig Familienvater und Unternehmer“

Familienunternehmen: ständig verschwimmende Kontextmarkierungen („mach mal die Brille sauber“)

Sei gleichzeitig gerecht im Kontext der Familie und Unternehmen.

Nicht die Paradoxie ist der Konflikt, sondern die Eskalationsgefahr

„nicht Du bist die Quelle des Unglücks, sondern wir sind beide Gefangene der Paradoxien

(Extremfall: Dämonisierungsgefahr, hemmungslose Kritik, Rückzug)

Wege aus Extremsituationen:

Narrativ: sich wertschätzend der Logik 1 nähern

               sich wertschätzend der Logik 2 nähern als Brief

 

Ja, Sie haben ja Recht. Beide habe Recht in ihrer Logik.

  • Wichtig ist es in dem Fall die Unvereinbarkeit verschiedener Logik als Realität anzuerkennen.

  • Trauer über die Nicht-Lösbarkeit feststellen

„Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis viel größer als in der Theorie…“

Repertoire der Handlungsmöglichkeiten

Bewusstmachen

Austausch von Beziehungskonten

Reframing

Reflektierende Position

Externalisierung; nicht der andere ist der Gegner, sondern die paradoxe Zwickmühle

Vorsicht!

„Hau-ruck-Aktionen“ zur Lösung von Paradoxien enden meist im Chaos

Die Medianten müssen vielmehr auf die Spur der eigenen Selbstbeobachtung gebracht werden. Dies ist die Grundlage zur eigenen Verhaltensänderung.

 

 


„Kinder in hochstrittigen Trennungen“

Dr. Helmuth Figdor, Wien

 

Gute/schlechte Trennung der Eltern ist nicht gleichzusetzen mit dessen Einfluss auf die seelische Entwicklung der Kinder.

Was benötigen die Kinder?

Was ist „hochstrittig“?

 

Thesen:

Unabhängig der Kinder müssen die Eltern die Entscheidung zur Trennung selbst treffen.

Fremdheit in der Beziehung:

Problem ist die Nicht-Anerkennung oder Unterwerfung als extreme Pole auf die Fremdheit zu reagieren.

Absenz des Vaters führt zur Zuspitzung des Konfliktes zur Mutter

(Auseinandersetzung mit dem Vater fehlt; Mutter versucht die ambivalente Aufgabe von Fürsorge und Grenzziehung zu verbinden)

Schuldgefühle des Kindes bis zu mehreren Jahren nach der Trennung führen zur Verdrängung des Konfliktes und zur Neurosenbildung

Mutter und Vater sind grundsätzlich unterschiedlich M: Versorgungsprinzip 

V: Forderungsprinzip

Grenzsetzung der Mutter durch Umgang mit Emotionalität

Verlust des Vaters:

Gefahr für die Autonomiebildung des Kindes _ resultierende Regressionsgefahr!

(Gefahr für die Schul- und Leistungsentwicklung)

Sobald Aggressionen nicht ausgelebt werden dürfen, besteht die Gefahr der Entwicklung von Konfliktscheu (Liebesentzug der Mutter im Konflikt als Folge) bei den Kindern

Die Folgen in Bezug auf die Entwicklung der Kinder sind demnach nicht die Trennungsfolgen, sondern die Konfliktfolgen.

D.h. bei Scheidungen ist nicht die Scheidung der Eltern das Problem, sondern wie sie mit dem Konflikt umgehen (siehe: Bedrohung durch Liebesverlust der Eltern als Bedrohung durch die Trennung der Eltern!)

Demnach kommt Relevanz der Frage zu, wie die Eltern bereits vor der Trennung mit Konflikten im Familiensystem umgegangen sind.

Folge: Es gibt kein ideales Scheidungsalter

 

Aber

Kinder brauchen eine ausführliche Erklärung der Eltern ( damit die Kinder nicht in die Täter/Opfer-Denkweise verfallen,

denn Streit gehört zum Alltag aber

mit dem Streit darf die Liebe nicht aufhören

Eltern müssen sich nicht auf eine Scheidungsversion einigen, sondern dürfen ruhig unterschiedliche Versionen nennen.

In der Praxis geschieht jedoch häufig die Abspaltung der positiven Seiten des Ex- Partners der tatsächlicher Bestandteil des eigenen Erlebens wird (dämonisieren).

Kinder reagieren immer heftig; sie sollen ermutigt werden, ihre Gefühle zu verbalisieren.

Eltern geht es in der Trennung miserabel. Sie empfinden sich jedoch nie als Subjekt der Verzweiflung des Kindes. Das Kind muss beide Elternteile lieben können, ohne sich entscheiden zu müssen.

 

Problem:

Das Opfer- Elternteil benötigt das Kind in der Scheidung.

Nach hochstrittigen Trennungen fallen Eltern auf die infantile Ebene zurück; es existiert eine hohe affektive Bedeutung gegenüber dem Rationalen. Was mit dem Verlust von (rationaler) Elternverantwortung einhergeht.

Es entwickeln sich pathologische, klinische Muster. So werden auftretende Konflikte rationalisiert und pädagogisiert.

Eltern müssen demnach den Kindern die Angst nehmen, den anderen Elternteil zu verlieren.

(z.B. nach drei Jahren der Trennung haben Kinder, die bei der Mutter leben zu 70 % keinen Kontakt mehr zu dem Vater)

Wichtig ist die Befähigung des Kindes zur Empathie. (Nervosität und ungewohntes Verhalten vor/nach Umgängen mit dem Vater sind normal.

Eltern haben dafür zu sorgen, dass der Kontakt zu dem anderen Elternteil auch stattfindet. In der Praxis gibt es jedoch das Problem, dass sie Verantwortung auf das Kind übertragen wird (das Kind will ja nicht…)

 

Beziehung zur Mediation

Manchmal ist die Parteinahme für das Kind notwendig (jedoch ansonsten Anspruch an die Allparteilichkeit)

Eltern müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie das Glück ihres Kindes vernichten.

Man darf keine Möglichkeit zulassen, dass Eltern ihr infantiles Verhalten pädagogisieren.

Der Experte hat die Schuldigkeit den Eltern in diesem  Extrem- Falle sogar zu drohen.

Die Praxis der Kooperation ist häufig eine Praxis des Wegschickens.

 

 

 


Privatdozentin Dr. Astrid Riehl- Emde, Heidelberg

„Die Seele folgt eigenen Gesetzen “ Paardynamik bei Trennung und Scheidung“

 

Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Liebe ist beschreibbar, aber nicht erklärbar

(s. Reaktionen wie z.B. „warum konnte ich mich so täuschen…“)

Abwehrmechanismen bei Verliebtheit

Spaltung von Gut vs. Böse

Verleugnung der „bösen“ Anteile

Idealisierung der „guten“ Anteile

Es besteht der Wunsch nach Vervollständigung(durch die Liebe) zweier getrennter Hälften.

Es existiert eine Außenwelt und eine Innenwelt der Partnerschaft.

Beim Zusammenwachsen ist wesentlich, wie der Umgang mit Enttäuschungen und Ambivalenzen ist, das heißt mit den Anteilen, die auch stören.

(oder auch Nähe/Distanz

Verbundenheit/Autonomie

Extase und Kontrollanspruch)

 

Liebe lässt sich nicht erzeugen, sie lässt sich aber auch nicht stoppen.

 

Dreieckstheorie nach Sternberg

Emotionale               Rational                                             Motivational

z.B. Intimität              Bewusste Entscheidungen           Leidenschaft

 

Die Aufkündigung der verschiedenen Ebenen läuft nicht syncron, deshalb erwächst das Gefühl der Halbiertheit.

Idealisierung   –                                  Gegenidealisierung

(Verliebtheit)                                        (Entliebtheit)

beide Prozesse laufen sehr heftig und ab!

Phänomen „gestohlenes Selbst“ 

Ziel ist die Entkoppelung vom einstigen Objekt

Dieser Prozess ist eine Passion mit umgekehrten Vorzeichen. Es bedeutet eine Umkehrung des bisherigen Objektbezuges.

Wut, Ärger, Schuldgefühle sind Hemmungen für die Mediation; die Reaktion ist jedoch normal.

Wichtig für die Trennungsphase:

In dem o.g. Zustand der Ambivalenz ist keine tragfähige Entscheidung möglich.

Was beeinflusst den Trennungsprozess?

  • Vorbereitungszeit
  • Ehedauer
  • Bedeutung der Ehe
  • Eigene Ressourcen
  • Neue Beziehung

Dieser Prozess verläuft beim (Ex-)Partner in aller Regel zeitlich versetzt.

Trennung erfordert

  • Trauer
  • Abschied
  • Neuorientierung

 

Dies ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess.

Wie?

  • lösen aus der alten Beziehung
  • entwickeln eigener Ziele
  • retten der eigenen Identität aus der Beziehung zum Partner.
  • Hinwendung zum eigenen Selbst

Dies führt letztlich zum erkennen der eigenen Anteile am Scheitern der Beziehung

und der Integration der Ambivalenz

Bedeutung der Psychoedukation:

Vermittlung vom Wissen über die Emotionalität von Trennung (Folge: „normalisieren“)

Elternschaft und Erhalt von Autonomie.

Menschen, die ihre Identität zur Paar-Identität gemacht haben, benötigen für die Trennung länger.

 

  


Hist. Vortrag:

 „Um die Wahrheit zu sagen, hatten die Mediatoren in Münster große Mühe, wenig Erfolg und noch weniger Ehre. Ihre Absichten waren gut, aber überall stießen sie auf Härten….“

(A. de Wicquefort, 1682)

Prof. Dr. Dr. Duss-von Werdt, Luzern

Westfälischer Frieden, nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges/ Friedenssaal

Aloisius Cotarini, Mediator aus Venedig (Anreise Münster 1643 /Abreise 1649)

„Dazwischen gehen und vermitteln“

Moderation (übers. Mäßigung) ist die Eigenschaft des Vermittlers

Das Vertrauen der Streitparteien war nicht leicht zu erwerben (Bestechungsversuche, Einschüchterung, Voreingenommenheit Frankreichs)

Keine geordnete Verhandlung, keine Vollversammlung, sondern Pendelmediation.

Immer wieder erhobene Vorwürfe der Parteilichkeit an die Mediation;

jedoch entscheidend ist die Bereitschaft der Beteiligten  die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

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